Pionier der Computer-Simulation Michael P. Allen

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Humboldtpreisträger zu Gast in Mainz

Alexander von Humboldt-Stiftung fördert Gastaufenthalt des renommierten britischen Wissenschaftlers am Institut für Physik

(Mainz, 15. März 2006, lei) Sie sind Bestandteil von Handys, Flachbildschirmen und modernen Armbanduhren: Flüssigkristalle kommen in LCD-Anzeigen und damit in vielen verschiedenen Gebrauchsgegenständen vor. Flüssigkristalle sind vielfältig einsetzbar, aber bei den Bemühungen um immer kleinere Bauelemente stoßen die Wissenschaftler bei den "flüssigen Kristallen" auf Schwierigkeiten. Grund dafür ist ihr ungewöhnliches Verhalten an Grenzflächen. Professor Michael P. Allen von der University of Warwick in Großbritannien gilt als einer der Pioniere der Computer-Simulationen und hat mit seinen Arbeiten wesentlich dazu beigetragen, das Verhalten von Flüssigkristallen und ihre Grenzflächeneigenschaften zu verstehen. "Professor Allen ist ein international führender Forscher auf dem Gebiet der Computer-Simulation von Flüssigkeiten und Festkörpern. Wir freuen uns, dass wir einen so exzellenten Wissenschaftler als Humboldtpreisträger hier an unserem Institut zu Gast haben", sagte Univ.-Prof. Dr. Kurt Binder vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Als Preisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung hält sich Allen für drei Monate zu Forschungszwecken in der Arbeitsgruppe "Theorie kondensierter Materie" am Institut für Physik auf.

Flüssigkristalle wurden bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und finden heute immer mehr wichtige Anwendungen. Eine der Grundlagen dafür ist die Ausrichtung der Moleküle im Flüssigkristall. Bei Flüssigkeiten aus stäbchen- oder scheibchenförmigen Molekülen sind beispielsweise die Achsen der Stäbchen alle weitgehend parallel ausgerichtet. Dadurch kann es zu einer Doppelbrechung des Lichts kommen, das den Flüssigkristall passiert. Die Ausrichtung der Achsen wiederum kann durch äußere elektrische Felder gesteuert werden, woraus sich die vielen Anwendungsmöglichkeiten ergeben.

Treffen die flüssigen Kristalle auf ein anderes Material, dann wird an dieser Grenzfläche die relativ einheitliche Ausrichtung der Moleküle gestört und ihre Steuerung erschwert. Gerade wegen der fortschreitenden Miniaturisierung elektronischer Bauelemente werden solche Grenzflächeneffekte und die dadurch bewirkten "Defekte" in der flüssigkristallinen Ordnung immer wichtiger. Sie sind aber von ihrer molekularen Grundlage her theoretisch nur unzureichend verstanden. "Dank Professor Allen und seinen Computer-Experimente werden diese Effekte verständlich und nachvollziehbar", erläutert Binder. Im Computer kann ein virtuelles Modell aufgebaut werden aus tausenden oder noch viel mehr Molekülen, die untereinander und mit den Grenzflächen in Wechselwirkung stehen. Die thermischen Fluktuationen lassen sich ebenso simulieren wie die Reaktion des Modellsystems auf die Veränderung äußerer Felder, und die physikalischen Zusammenhänge können auf molekularer Grundlage analysiert und verstanden werden.

Solche Computer-Simulationen sind nicht nur in der Physik unverzichtbar geworden - sei es als Ergänzung analytischer Berechnungen oder bei der Interpretation von Experimenten an realen Systemen. Auch in zahlreichen anderen Wissenschaften und in der Technik geht es nicht mehr ohne: In der Automobilindustrie kommen beispielsweise auf einen realen Crashtest mindestens zehn auf dem Computer simulierte Tests.

Allen ist Autor des bekanntesten Lehrbuchs über das "Know-how" der Computersimulation von Flüssigkeiten und weltweit bekannt durch seine Pionierarbeiten zu Flüssigkristallen und deren Grenzflächeneigenschaften. Die Universität Mainz und das Max-Planck-Institut für Polymerforschung profitieren gleichermaßen davon, dass er Mainz als den Ort für seine Forschungsarbeiten gewählt hat, die ihm durch den Alexander von Humboldt-Forschungspreis in Deutschland ermöglicht werden. Dieser Preis wird von der Alexander von Humboldt-Stiftung an internationale Spitzenwissenschaftler in einem harten Wettbewerb verliehen und zählt zu den größten Auszeichnungen, die ausländische Forscher in Deutschland erhalten können.

Allen, geboren 1954, hat an der Elite-Universität Oxford studiert und 1979 promoviert. Er ging dann zwei Jahre an die Universität von Los Angeles und anschließend wieder nach Oxford, bis er 1985 einem Ruf nach Bristol folgte. Dort durchlief er schnell die britische Karriereleiter und wechselte dann 2001 an die University of Warwick.

Kontakt und Informationen:
Michaela Brauburger
Institut für Informatik - Öffentlichkeitsarbeit
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 39-23286 oder 39-23619
E-Mail: brauburg@uni-mainz.de

Quelle: http://www.idw-online.de